Ein Pseudonym zeigt sich.
- Photos & Written by: Uta Gleiser
- INTERVIEW MIT: Jörg
Hamburg liebe ich wegen dem bunten Mix der Menschen, die hier leben, der Nähe zum Wasser, dem Hafen und dem kulturellen Angebot, welches sich durchaus sehen lassen kann. Wir sind zwar nicht Berlin oder New York, aber Luft nach oben muss es schließlich auch geben und dieser Spielraum wird immer mehr genutzt. Gerne besuche ich Kunst- und Fotoausstellungen in den verschiedenen Museen der Stadt und nehme immer öfter an geführten Ausstellungsbesuchen teil.
Hamburg liebe ich wegen dem bunten Mix der Menschen, die hier leben, der Nähe zum Wasser, dem Hafen und dem kulturellen Angebot, welches sich durchaus sehen lassen kann. Wir sind zwar nicht Berlin oder New York, aber Luft nach oben muss es schließlich auch geben und dieser Spielraum wird immer mehr genutzt. Gerne besuche ich Kunst- und Fotoausstellungen in den verschiedenen Museen der Stadt und nehme immer öfter an geführten Ausstellungsbesuchen teil. Früher reichte es mir, die Kunst an den Wänden zu bestaunen. Heute jedoch, gewinnt das Interesse, wer hinter den Werken steht und unter welchen Umständen oder aus welchen Beweggründen die Kunst entstand, immer mehr Bedeutung. Bei einem Museumsbesuch liebe ich die meist großzügigen Flächen, auf denen Kunst präsentiert wird, den Raum, der einem Werk gegeben wird und der Abstand, mit dem ich sie betrachten kann. In letzter Zeit habe ich Gefallen an kleinen Galerien gefunden. Dort sind die Räumlichkeiten nicht ganz so opulent und der Abstand, den ich im Museum zu schätzen weiß, wird hier durch persönliche Gespräche und der Nähe zu den Künstlern oder Kuratoren ersetzt. Bei Ausstellungseröffnungen trifft man ab und an auf den Künstler oder kann ein Gespräch mit den Kuratoren führen. Das finde ich spannend und bringt mir das Gezeigte noch mal ein bisschen näher.
Die Hamburger Galerie heliumcowboy wurde 2002, ganz nach einem Motto aus den 70ies „A cowboys work is never done“, von Jörg Heikhaus gegründet. Vor ein paar Monaten hatte auch ich endlich den Weg dorthin gefunden. Rechtzeitig zur Ausstellungseröffnung von „Bonbon und Bier“ traf ich Jörg und konnte mir Exponate von internationalen Künstlern wie Victor Castillo aus Chile, David Shillinglaw aus UK, Yukako Shibata aus Japan und einigen mehr ansehen. Was 2004 unter dem Namen Alex Diamond als Kunstprojekt startete, wurde zu Jörgs Künstlernamen. Seit 1987 arbeitet er nicht nur als Kurator, sondern auch selber als Künstler. Nachdem er über Jahre verschiedene Techniken und Medien ausprobierte, besteht sein heutiges Erkennungsmerkmal aus mehrschichtigen Holzschnitten, die am Ende eine Wandskulptur ergeben. Jörg Heikhaus hatte, bevor es heliumcowboy und Alex Diamond gab, unterschiedliche Stationen in seinem Leben. Nicht alle hatten etwas mit Kunst zu tun, aber alle Tätigkeiten und der Drang, immer wieder zur eigenen Kunst zurückzukehren, haben dazu beigetragen, was man heute in seinen Skulpturen sieht.
Lieber Jörg,
angefangen hatte es irgendwann im jugendlichen Alter mit Comic-Zeichnen, heute arbeitest du hauptsächlich an Holzschnitten und stellst international aus. Dazwischen lagen so einige Stationen und es hatte ein bisschen gedauert, bis du „Vollzeit“ als Künstler gearbeitet hast.
Erzähl doch bitte ein bisschen, welche Stationen dich am meisten geprägt haben und was der Ausschlag war, um „nur“ noch Kunst zu machen?“ war
Jörg // Auch wenn ich schon seit meiner Jugend immer künstlerisch aktiv war, so ist es doch keine Selbstverständlichkeit für mich gewesen, mich Künstler zu nennen und daraus meinen Beruf zu machen. Studieren kam für mich nicht in Frage, ich arbeitete ja schon zu Schulzeiten, gestaltete Plakate und Cover für Bands, zeichnete Comics für Fanzines und schob gut bezahlte Schichten im Eisenwerk, oder raste als Fotograf für kleine Blättchen in meinem bemalten R4 durch Köln und entwickelte in meinem zur Dunkelkammer „umbaubaren“ Schlafzimmer die Bilder zu den Terminen, zu denen man mich schickte.
Schließlich schrieb ich dann auch die Geschichten dazu und rutsche so erstmal komplett in den Journalismus, der mich zur Wende 1990 dann auch nach Ostdeutschland brachte, wo ich drei Jahre blieb – eine unglaublich spannende, aufregende Zeit. Dann reiste ich um die Welt, kehrte zurück, gründete eine kleine Agentur, schlitterte damit zu Zeiten der New Economy ins „Big Business“, landete auf einem Vorstandsposten einer riesigen Beratungsfirma … es war immer was los und immer gab es wahnsinnig aufregende Möglichkeiten, etwas Neues zu lernen und zu erleben. Kunst fand aber auch noch statt, im Kleinen, denn immer wieder habe ich Ausstellungen gemacht, in Köln, in Hamburg, aber es war halt nicht der absolute Fokus meines Tuns. Das habe ich dann schließlich mit dem heliumcowboy artspace radikal geändert.
Ich habe einen Ort geschaffen, an dem sowohl ich meine eigene Kunst machen konnte, der aber auch anderen Künstlern als Plattform dienen sollte. Das war 2002. Ich habe hier meine gesammelten beruflichen Erfahrungen und meine Leidenschaft konsolidiert und darauf ein damals neues Modell einer Galerie gegründet, denn wirtschaftlich funktionieren sollte heliumcowboy selbstverständlich auch.
Das Konzept kam sehr gut an, und rasch kamen dann die Teilnahmen an renommierten Kunstmessen und der Austausch mit ähnlich gesinnten Galeristen aus den USA, Spanien und England dazu. Es war eine Erfolgsstory – die aber zugleich meinen Wunsch, als Künstler zu arbeiten, brutal in den Hintergrund drängte. heliumcowboy war ein international hoch angesehenes Powerhouse einer neuen, jungen Kunstbewegung. Daneben noch eigene Kunst zu machen wurde immer schwieriger.
Mit der Erfindung der fiktiven und anonymen Kunstfigur „Alex Diamond“ habe ich mir dann einen Ausweg geschaffen, hier konzentrierte ich meinen künstlerischen Schaffensdrang hinter geschlossenem Vorhang und ohne wirtschaftlichen Druck: Alex Diamond musste nicht ständig ausstellen oder verkaufen, das sollte sich vollkommen organisch entwickeln, ich wollte lediglich meine Ideen umsetzen und dabei ausprobieren, ob sich ein Künstler, den es eigentlich gar nicht gibt, am Kunstmarkt durchsetzen kann. 2009 habe ich mit dem Hamburger GUDBERG-Verlag ein Buch dazu rausgebracht, „Don’t worry about a thing – Being Alex Diamond“ heißt das, und das belegt recht eindeutig, dass dies sehr wohl funktioniert: Alex Diamond war fast nebenbei zu einer Art Kultfigur geworden, und Bilder von mir hingen bei namhaften Galeristen und verkauften sich an tolle Sammler, die zunächst gar nicht wussten, wer dahintersteckt.
Dann kam die Finanzkrise mit fatalen Folgen für viele Galerien. Ich habe es zwar geschafft, heliumcowboy durch diese Zeit zu manövrieren und musste nicht aufgeben, aber es gab natürlich sehr harte Einschnitte. Insgesamt eine oft bittere Zeit, auch weil viele aufkeimende Künstlerkarrieren und wundervolle Galerien verschwanden. Aber man muss in Krisen eben loslassen und umdenken. So ermöglichte mir die radikale Reduzierung des Galeriebetriebs endlich die Konzentration auf meine künstlerische Arbeit. Das ist die Zeit, in der ich mit der Technik des Holzschnitts begann, sich mein Werk deutlich veränderte, bewusstere und persönlichere Arbeiten entstanden und ich mich als der Mensch hinter Alex Diamond offenbarte. Was durchaus unterschiedliche Reaktionen hervorrief … wobei die positiven am Ende überwogen. Vor allem für mich war es eine kolossale Befreiung. Es ist schon recht anstrengend stets anonym zu arbeiten.
Inzwischen habe ich kaum noch Zeit für den Galeriebetrieb. Aber es macht natürlich nach wie vor Spaß, Ausstellungen zu kuratieren und mit anderen Künstlern zusammenzuarbeiten. Aber heliumcowboy wird nun von Lavinia Rosen geführt, und bis auf die Jubiläumsausstellung zu unserem 15jährigen Bestehen (Vernissage am 15. Juli), deren Kuratierung mir selbstverständlich ein persönliches Anliegen ist, hält sie nun die Fäden in der Hand. Ihr Programm wird zum Teil angelehnt sein an das, was man von heliumcowboy kennt, aber auch zu einer neuen Positionierung beitragen, denn Lavinia bringt einen sehr eigenständigen Ansatz mit, über den ich mich sehr freue und der heliumcowboy noch einmal weiterentwickeln wird. Sie ist jung, international ausgebildet und bringt diese unbändige Leidenschaft für die Kunst mit, ohne die man in diesem Business nicht erfolgreich sein kann.
Ich verbringe nun die meiste Zeit im Atelier, ich bin in der glücklichen Lage, von mehreren Galerien umsorgt zu werden. Die Galerie Wolfsen in Dänemark hat mich schon im ersten
Jahr unserer Zusammenarbeit in Ausstellungen in Aalborg und Beirut sowie auf Messen in Basel und Kopenhagen gezeigt, und Rasmus und Kent, der Kurator und der Eigentümer von Wolfsen, sind einfach traumhaft engagierte Vollblutgaleristen. Im April zeige ich bei ihnen gemeinsam mit ElMac und Doppeldenk. Und gerade habe ich eine große Arbeit bei der berühmten Jonathan Levine Gallery in den USA gezeigt, und das ist schon so eine Art Ritterschlag für jeden Künstler. Das Bild wurde bereits beim Preview verkauft und hängt nun in der Privatsammlung eines Filmregisseurs … das sind so die Geschichten, die vor allem in der amerikanischen Kunstwelt geschrieben werden.
Für November bereite ich gerade mit meinem guten Freund Victor Castillo den zweiten Teil unserer Doppelausstellung „Weapons Of Mass Seduction“ vor (7.11.2017). Wie schon 2014 werden wir in Hamburg gemeinsam ausstellen. Den dritten Teil werden wir dann voraussichtlich 2018 oder 2019 in den USA präsentieren. Ganz neu ist eine meist, kleinformatige Serie, die stark von meinen bisherigen Themen abweicht. Der Ästhetik, Technik und dem Stil in „Everyday Problems: The Shunga Series“ bin ich allerdings treu geblieben.
Es wird auf alle Fälle ein ganz besonderes Jahr …
Du hast schon mit unterschiedlichen Medien und Materialien gearbeitet.
Warum wurde es dann der Holzschnitt und was ist für dich das Besondere an dieser Technik und dem Material?
Jörg // Ich habe schon viele Jahre sehr intensiv mit Holz gearbeitet, vor allem im Bereich der Installation. Ich bin ja auch ein sehr handwerklich geprägter und auch erfahrener Mensch und das zeigt sich natürlich in meiner Kunst. Holz ist einfach ein wunderbares Material, mit dessen Bearbeitung ich mich auch durch frühere Jobs sehr gut auskenne. Mein Studio ist
übrigens auch eher eine Tischlerwerkstatt als ein klassisches Künstleratelier. Oder eine Mischung aus beidem …
Der Holzschnitt kommt meinem Zeichenstil entgegen, der ja immer von starken, kräftigen Linien geprägt war. Es war also ein leichter Schritt, die Bearbeitung mit scharfen Klingen liegt mir. Ich war auch schon als Jugendlicher fasziniert von den japanischen Holzschnitten von Künstlern wie Hiroshige oder Hokusai. Nicht nur deren Technik, sondern auch ihr Bildaufbau, findet sich zumindest in meinen frühen Holzschnitten wieder. Und natürlich sieht man auch die Nähe zu Comics in den Arbeiten.
Deine Holzschnitte sind oftmals mehrschichtig und ergeben zusammen eine Geschichte.
Was sind deine Hauptthemen und wie hast Du diese gefunden?
Jörg // Ich verstehe mich als Geschichtenerzähler. Meine mehrschichtigen Arbeiten funktionieren wie Bühnenbilder, oder Dioramen. Es geschieht eine Menge „zwischen“ den einzelnen Ebenen, es gibt viel zu entdecken. Daher sind diese Geschichten auch oft komplexer als der erste Eindruck vermitteln mag, denn meine Darstellungen sind ja schon eher angenehm und harmonisch. Die Tiefe entsteht durch die Schichten, die Überlagerungen, aber auch die Materialien. Deshalb ist es ja auch so schwer, meine Arbeit 2-dimensional im Netz oder im Print abzubilden, eigentlich muss man da nah rangehen können, sie vielleicht sogar anfassen können.
Thematisch sehe ich mich in einer gesellschaftspolitischen Relevanz, ich finde meine Stories in unserem Alltag, ganz viel auch in der Musik, in Filmen und TV-Serien. Die Auseinandersetzung mit den digitalen Medien und ihre Auswirkung auf die Menschen ist genauso Thema wie die besorgniserregenden politischen Entwicklungen in der Welt.
Und trotz der Wärme der „Hauptdarsteller“ meiner Bilder ist da auch immer diese Wut und das Wehrhafte, das meine Jugend in den 80ern geprägt hat, als Punk noch revolutionär war und die Reaktion auf Missstände das Verlassen der eigenen vier Wände bedeutete, worauf ich auch häufiger verweise in meinem Werk. Oft sind es aber auch einfach nur Geschichten von Liebe und Menschlichkeit, der Natur und der Urbanität. Irgendwo steckt da auch immer etwas sehr Persönliches in den Bildern. Zum Beispiel die Hochhäuser in meinen aktuellen Arbeiten – in einer solchen Betonburg aus den 60er, 70er Jahren bin ich aufgewachsen. Oder die Naturverbundenheit. Die Liebe zur Musik. Die Suche nach Abenteuern.
Manchmal mache ich aber ja auch kleinere, „eindimensionalere“ Serien von Holzschnitten. Die sind dann ein bisschen weniger komplex und darin verarbeite ich dann auch nur ein Thema. Letztes Jahr habe ich eine ganze Reihe von Instagram-Screenshots in 18 mal 24 cm kleine Holzblöcke geschnitzt, und damit eine absurde Verlangsamung eines Mediums betrieben, dass im Kern ja von der Sucht nach der größtmöglichen Aufmerksamkeit innerhalb der kürzesten Zeit lebt. Nicht so kompliziert, aber eben ein Anliegen von mir, dem einmal nachzugehen. Denn schließlich ist die Recherche und die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema ein wesentlicher Bestandteil meiner Arbeit. Zur Zeit arbeite ich an einer recht … drastischen Serie. Es geht um Alltagsprobleme. Aber die Art und Weise der Umsetzung ist nicht jugendfrei, und ich weiß noch nicht genau, wie ich das final überhaupt präsentieren kann. Mal sehen.
Wie kann ich mir vorstellen wie du ein Thema ausarbeitest? Fängst du mit einem Thema an, mit Skizzen oder entwickelt sich eine Arbeit während der Entstehung?
Jörg // Ich habe eine Idee im Kopf und die baue ich zu einer Geschichte oder zu einem Thema aus. Wie ein „Treatment“ zu einem Film zum Beispiel. Meine Skizzen sind dann oft nur niedergeschriebene Notizen, Zeichnungen kommen meist erst dazu, wenn es um die Umsetzung geht. Das bleibt aber alles ein eher grobes Gerüst, denn gerade bei den größeren Arbeiten verbringe ich ja sehr viel Zeit mit der Umsetzung, und da muss dann
noch Raum zur Entwicklung, zu Wendungen, zu Abwegen usw. bleiben. Und da ist natürlich auch immer noch der Aspekt des Handwerklichen – das muss ja alles auch technisch einwandfrei konstruiert sein. Und erst ganz zum Schluss, wenn alle Einzelteile montiert sind und ich das Bild erstmals aus der Horizontalen der Werkbank hebe und an die Wand hänge, sehe ich das Gesamtergebnis. Der Vergleich mit der Arbeit an einem Film passt vielleicht ganz gut, denn hier wird das Endresultat ja auch aus vielen Einzelteilen zusammengefügt, die – wie in meinem Prozess ja auch – nicht chronologisch produziert werden. Ich bin also quasi Autor, Bühnenbildner und Regisseur zugleich.
Welche deiner Arbeiten sind für dich die absoluten Favoriten und warum?
Jörg // Sowas gibt es bei mir eigentlich gar nicht. Ich produziere ja nicht so viel und verbringe meist so viel Zeit mit den Arbeiten, dass ich ohnehin nichts aus meinem Studio entlasse, mit dem ich nicht zufrieden bin. Aber natürlich liegen mir die komplexen, mehrschichtigen Arbeiten mehr am Herzen, denn die begleiten mich oft wochenlang, da habe ich mehr Zeit für die Geschichte und stecke tiefer drin.
Ich kann aber sagen, welche Arbeit von mir ich ganz furchtbar finde: das ist der geschnitzte Donald Trump, eine Karikatur dieser Karikatur eines Menschen, in Windel und Fascho-Uniform als plärrendes Baby. Die habe ich auf Einladung von Curator19.90 für eine Ausstellung in New York im Februar gemacht, als deutscher Beitrag zu einer internationalen Anti-Trump-Show. Ich finde die Umsetzung zwar gelungen, aber ich habe es noch nie so sehr gehasst, etwas zu schnitzen, wie diesen Typen. Das war zwar nur eine kleine, schnelle Arbeit. Aber ich war ununterbrochen wahnsinnig wütend und schlecht drauf.
Dann doch lieber Bären, die mit wundersamen Menschen und Figuren vor Hochhäusern über Gebirge klettern …
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